Zur Haftung der Deutschen Bahn für Schäden bei Fahrzeugbeförderung im Autoreisezug

AG Dortmund, Urteil vom 08.03.2006 -413 C 13067/05

Die Deutsche Bahn AG ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn auf einem Autoreisezug während einer internationalen Beförderung Schäden an einem Pkw entstehen, und sie nicht beweisen kann, dass die Beschädigung des beförderten Pkw nicht auf Umständen beruht, die ihrem Einfluss zuzurechnen sind.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 622,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 622,06 Euro seit dem 03.06.2005 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage wegen der Mehrforderung abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 3 / 4 die Beklagte, zu ¼ der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes für den Feststellungsantrag beträgt bis 100,00 Euro.

Tatbestand
1
Die Beklagte transportierte am 19.03.2005 den Pkw Ford Focus des Klägers (Erstzulassung 30.11.2004) auf einem offenen Waggon in der unteren Etage von D nach V, ersteres im Rheinland letzteres in Österreich gelegen. Dort stellte der Kläger an der vorderen Stoßstange rechtzeitig einen ca. 30 cm langen Kratzer fest, dessen Existenz in der Tatbestandsaufnahme Nr. 1001 vom 19.03.2005 (Bl. 6 d. A.) festgehalten wurde. Diesen zu reparieren, kostet laut Kostenvoranschlag vom 19.04.2005 (Bl. 7 ff. d. A.) netto 622,06 Euro zuzügl. 16 % Mehrwertsteuer entsprechend 99,53 Euro.

2
Der Kläger behauptet, das Fahrzeug unbeschädigt auf dem Waggon abgestellt zu haben, so dass der Schaden während des Transports durch die Beklagte entstanden sein müsse, nämlich beim Montieren der Fahrzeugsicherungen in Form von einzelnen Blockierklötzen an den Reifen des Pkw durch Mitarbeiter der Beklagten.

3
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger die Nettoreparaturkosten zuzügl. einer Auslagenpauschale von 25,00 Euro und 68,61 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten ersetzt und beantragt,

4
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 647,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.06.2005, sowie 68,61 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2005 zu zahlen,

5
ferner festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die bei Reparatur des klägerischen Fahrzeugs fällig werdende Umsatzsteuer zu tragen.

6
Die Beklagte beantragt,

7
die Klageabweisung.

8
Sie bestreitet, dass der eingetretene Schaden überhaupt etwas mit dem Bahntransport zu tun habe oder von Bahnpersonal beim Hantieren mit Radvorlegern verursacht worden sei.

9
Wegen des weitergehenden Parteivorbringens verweist das Gericht auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe
10
Die Klage ist bis auf 25,00 Euro pauschale Auslagen, die vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie den Feststellungsantrag zulässig und begründet.

11
Nach Art. 35, 17 § 2, 41 ER/CIV in Verbindung mit § 249 BGB kann der Kläger von der Beklagten den zur Reparatur des Stoßstangenschadens erforderlichen Nettobetrag von 622,06 Euro als Hauptforderung beanspruchen.

12
Der Pkw gehört gem. Art. 17 § 2, 41 ER/CIV zu dem nach Art. 35 ER/CIV geschützten Reisegepäck. Er ist auch, wie weiter gefordert, in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis zur Auslieferung beschädigt worden. Wie der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung dargelegt hat, war das Fahrzeug im Jahr 2004, genauer gesagt am 30.11.2004 und damit nicht einmal vier Monate vor dem vertraglichen Transport erstmals zum Straßenverkehr zugelassen worden. Insofern hegt das Gericht keinen Zweifel an der Angabe des Klägers, dass die Stoßstange bis dahin unbeschädigt war. Natürlich gibt es in aller Regel die ersten Macken an einem Fahrzeug im Bereich der Stoßstange. Dass diese hier aber unversehrt war, mag das Gericht umso mehr glauben, als der Pkw bei der Vorführung zur Fertigung des Kostenvoranschlages erst eine Laufleistung von 1.570 km zurückgelegt hatte, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass der Kläger bei seinem Urlaub in Österreich und damit nach Feststellung des Schadens einige Kilometer zurückgelegt haben dürfte. Quintessenz: Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger seien Ford Focus ohne Vorschaden auf dem Autotransportwaggon abgestellt hat. Entgegen der sie gem. Art. 35 Abs. 2 ER/CIV treffenden Darlegungs- und Beweislast, hat die Beklagte weder dartun noch unter Beweis stellen können, dass die Beschädigung des beförderten Pkw nicht auf Umständen beruht, die ihrem Einfluss zuzurechnen sind.

13
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Haftung gem. §§ 1, 25, 31, 36 EVO i. V. m. § 427 Abs. 1 Nr. 1 HGB ausgeschlossen sei, weil die Vorschriften der Eisenbahnverkehrsordnung im grenzüberschreitenden Verkehr nur gelten, soweit ER/CIV nichts anderes bestimmen. Diese anderweitigen Bestimmungen finden sich jedoch gerade in Art. 35 Abs. 3 ER/CIV, der gerade keinen Haftungsausschluss bei einem Transport auf offenen Wagen enthält. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, ihre Haftung sei nach Art. 35 § 2 ER/CIV ausgeschlossen, weil der Schaden durch Umstände verursacht worden sei, die die Eisenbahn nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht abwenden konnte. Ebenso wenig greift ein Haftungsausschluss nach Art. 35 § 3 a ER/CIV. Diese Vorschrift befreit die Bahn von der Haftung, wenn der Schaden aus dem Fehlen oder etwaigen Mängeln einer Verpackung des Transportgutes entsteht. Eine solche Einschränkung kann begrifflich doch nur gelten, wenn das Transportgut üblicherweise verpackt auf den Weg gebracht wird. Dies gilt für Pkw auf Autoreisezügen jedoch gerade bekanntermaßen nicht. Deshalb bietet diese Vorschrift der Beklagten im vorliegenden Falle keine Haftungsbefreiung.

14
Eine allgemeine Auslagenpauschale erscheint jedoch ebenso wie der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten an der vorliegenden Spezialvorschrift des Art. 39 § 1 ER/CIV.

15
Der Feststellungsantrag ist insofern unzulässig, als das er keinen der Rechtskraft fähigen Inhalt hat. Hier hätte der Kläger schon deutlich machen müssen, welche Reparatur an welchem Fahrzeug es sich handelt.

16
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 286 ff. BGB; 92 Abs. 1, 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.

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